Willkommen bei LUMA Ein Festival für Projektionskunst zieht Künstler und Besucherströme aus der ganzen Welt in eine Kleinstadt im Bundesstaat New York.
Man würde Binghamton eigentlich nicht als bedeutendes touristisches Ziel bezeichnen. Dennoch zieht das Städtchen in Upstate New York seit 2015 immer größere Menschenmassen an und erregt internationale Aufmerksamkeit. Grund dafür ist das LUMA-Festival für Projektionskunst – gegründet von einem Straßenfotografen, einem Film-Cutter und einem Event-Spezialisten, die sich in ihren kühnsten Träumen nicht ausgemalt hätten, wie populär ihre Veranstaltung werden würde.
LUMA ist das bisher einzige Festival für visuelle Künste in den USA, das sich hauptsächlich mit Projectionmapping beschäftigt. Die vierte Ausgabe des jährlichen Festivals fand vom 7. bis 9. September 2018 in der Innenstadt von Binghamton statt, wo die historischen Fassaden die perfekten Projektionsflächen für die Show boten.
LUMA steht in dem Ruf, das Immersive Storytelling zu zelebrieren, und lockt so Besucherströme an, die sich nur unwesentlich unter Binghamtons Einwohnerzahl von ca. 45 000 Menschen bewegen. Künstler aus aller Welt reichen Vorschläge ein, um an dem dreitägigen Event teilnehmen zu dürfen. Die Auserwählten bauen ihre technologiegeladenen Animationen aus verschiedensten Programmen und Elementen zusammen, darunter Cinema 4D, Houdini, MotionBuilder, extrem lichtstarke Video-Projektoren, Live-Musik, bewegte Scheinwerfer und vieles mehr. „Das ist unser bisher größtes Festival und wir setzen Maßstäbe, indem wir neue Technologien einsetzen, um auf bisher ungekannte Weise Geschichten zu erzählen“, sagt Tice Lerner, der das LUMA-Festival mit seinen Freunden Nick Rubenstein und Joshua Bernard gegründet hat.
Ein unerwarteter Erfolg
Die Drei hatten niemals den erklärten Plan, ein Festival zu gründen. Tatsächlich hat es sich eher so abgespielt: In einer kalten Vorfrühlingsnacht fragte Lerner, ursprünglich Maschinenbauer und nun Fotograf, Bernard, ob er etwas über Projectionmapping wüsste. Er wusste nichts, fand das Thema als Fotograf, Designer und Videofilmer allerdings spannend genug, um zu recherchieren. „Die Möglichkeiten, die diese Technologie bot, haben mich echt umgehauen“, erinnert sich Bernard. Als lokaler Event-Veranstalter war er schon länger auf der Suche nach etwas, das Binghamton sich als einzigartige Attraktion zuschreiben könnte – vielleicht war dies genau das, wonach er gesucht hatte?
Sie hatten kein Geld, um eine Produktionsfirma zu beauftragen, also baten sie Freunde und Kollegen um Hilfe. „Zum Glück kannten wir jede Menge Nerds, die Computer bauen und Software auf genau die notwendige Art bedienen konnten, um sich durch die ihnen vollkommen unbekannte Technologie zu mogeln“, erinnert sich Bernard und fügt hinzu, dass sie glücklicherweise auch ihren Freund Nick dazuholten, der ein erfahrener Artdirektor und Motion-Designer ist. „Tatsächlich hat LUMA damit angefangen”, sagt er, „dass wir in meiner Wohnung abhingen und mit ein paar Büroprojektoren Sachen auf meine Küchenschränke gemappt haben.”
Es dauerte nicht lange, bis sie feststellten, dass sie über das Projectionmapping hinaus den Grenzbereich zwischen Kunst und Technologie erkunden wollten. In der Annahme, dass da noch andere Menschen sein mussten, die genauso denken, starteten sie das erste LUMA-Festival, indem sie einen Elektriker ein paar Änderungen an der Verkabelung des Hauses eines Freundes machen ließen, um mit drei Projektoren von dessen Wohnzimmer aus auf die gegenüberliegenden Gebäude zu mappen. „Wir sagen nie ‚das kann man nicht machen’”, sagt Bernard. „Es gibt immer einen Weg.” (Sehen Sie hier das LUMA’s 2018 Kickstarter Video)
Obwohl die Gemeinde das Projekt sehr unterstützte, war sich niemand darüber im Klaren, wie sich das Festival entwickeln würde. Lerner, Bernard und Rubenstein gingen davon aus, dass vielleicht 3 000 Leute kommen würden. Als dann plötzlich 30 000 auftauchten, waren sie ebenso geschockt wie die lokale Polizei, die eilig einige angrenzende Straßen sperren musste. „Wir waren von unserem Erfolg total überrascht”, erinnert sich Rubenstein. „Ich denke, das zeigt, wie hungrig die Leute danach waren, etwas Neues und Lebhaftes zu sehen. Im zweiten Jahr waren wir so beachtlich gewachsen, dass sich keiner mehr richtig bewegen konnte, also haben wir das Festival in die Innenstadt von Binghamton verlegt. Außerdem haben wir jetzt deutlich mehr Sponsoren und Unterstützung von der Stadt.”
Größer als IMAX
Geschichten – als 3D-Projectionmapping animiert – in ausreichender Zahl zusammenzubekommen, die auf große Gebäude projiziert werden können, ist keine leichte Sache. Laut Rubenstein liegt die Motivation der Künstler in der Chance, an Ideen zu arbeiten, die sie schon seit Jahren mit sich herumtragen: „Das ist Kunst in gigantischem Ausmaß, viel größer als auf einer IMAX-Leinwand – das ist es, was es für sie und die Zuschauer so aufregend macht. Den Ausdruck auf den Gesichtern der Leute zu beobachten, während sie zuschauen, ist unglaublich.“
Während einige Künstler schon mehrfach in den vergangenen Jahren ihre Werke auf dem LUMA gezeigt haben, sind bei jeder Veranstaltung auch Newcomer dabei. 2018 gehörten zum Haupt-Line-up Maxin10sity, eine weltbekannte Projectionmapping-Firma aus Budapest in Ungarn; Light Harvest, ein New Yorker Studio, das preisgekrönte Projectionmappings für Projekte wie HBO’s Game of Thrones und Burning Man gemacht hat; Onionlab aus Barcelona in Spanien, die auf Projectionmapping und VR spezialisiert sind und 2017 auf dem LUMA stereoskopisches Mapping vorgestellt haben, und natürlich Favorite Color, Binghamtons ortsansässiges Designstudio und Produktionshaus.
Onionlab war in diesem Jahr zum zweiten Mal dabei. Jordi Pont, 2017 Co-Regisseur von „Axioma“, kehrte in gleicher Rolle mit dem animierten Projectionmapping „Transfiguration“ zurück. Die beiden Stücke sind sehr unterschiedlich, erklärt Pont. Während „Axioma“ eine rot-blaue, anaglyphe Animation ist, die die Geometrie erforscht, indem sie den Zuschauer auf eine Reise durch verschiedene Stadien der Dimensionalität entführt, kommt „Transfiguration“ als Immersive Show, die von 44 Mitgliedern des Philharmonie-Orchesters von Binghamton begleitet wird.
„Durch das Zusammenspiel von Licht und Musik wird die Vereinigte Presbyterianische Kirche zu einem magischen Ort“, sagt er und erklärt, „dass Onionlab extra für diesen Anlass mit Cinema 4D ein komplexes WYSIWYG (what you see is what you get)-Lichtkontrollsystem entwickelt hat. Dieses macht es möglich, während der Show in Echtzeit Lichtstimmungen zu modulieren, wodurch eine filigrane und hypnotische Licht-Choreographie entsteht, die gleichzeitig elegant und getragen anmutet.“
Zusammenarbeit mit den Künstlern
Künstler sind jederzeit eingeladen, Ideen für zukünftige Festivals einzureichen, und alle drei Organisatoren nehmen sich die Zeit, die Demo Reels anzuschauen und mit den Leuten Kontakt aufzunehmen, deren Arbeiten gut passen würden. „Es ist ein sehr kollaborativer und organischer Prozess“, erklärt Lerner. „Ich habe eine Bibliothek der Gebäude unserer Innenstadt, damit ich den Künstlern Fotos und Abmessungen schicken kann. Ich fordere sie außerdem auf, mit Google Maps und Street View nach anderen Gebäuden zu schauen, die ihnen gefallen würden.“ Baupläne sind selten zu bekommen. Wenn ein Gebäude ausgewählt wurde und die Idee abgenommen ist, wird Photogrammetrie eingesetzt, um exaktere Maße zu nehmen und Point Clouds zu erzeugen, aus denen in Cinema 4D ein 3D-Mesh von der Gebäudefassade entsteht.
Light Harvest nimmt dieses Jahr ebenfalls zum zweiten Mal am LUMA teil. Ryan Uzilevsky, Gründer und Kreativdirektor von Light Harvest, erzählt, dass Lerner ihn 2017 kontaktierte, und sie sich deshalb engagieren, weil sie den „basisdemokratischen Geist“ und die Tatsache schätzen, dass das Festival von der Kreativität der Künstler lebt.
Sein diesjähriger immersiver Film „The Truth Shall Set You Free“ ist eine Fortsetzung von „Shoulders of the Past“, seinem Beitrag von 2017. Beide Projekte nutzen aufgezeichnete Bewegungsdaten von Tanz-Performances, wobei der erste Film davon erzählt, wie ältere Generationen die Jugend inspirieren können. „Dieses Jahr dreht sich die Geschichte um die Informationsüberflutung im modernen Alltag“, erklärt Uzilevsky. „Es geht um unsere tägliche Herausforderung zu entscheiden, welche Informationen wichtig sind und welche einfach nur ablenkender Krach.“
Davon abgesehen, dass das Festival einen Tag länger dauerte als die vergangenen LUMAs, bot die Veranstaltung in diesem Jahr ein Theremin-Konzert, ein Oper-mit-Bier-Event, eine Lightshow mit Orchesterbegleitung, diverse Ausstellungen lokaler Künstler, eine After-Show-Party am späten Abend und etliches mehr. Wie das Festival weiter wächst, wird die Zukunft zeigen. Die Gründer fühlen sich jedenfalls verpflichtet, ihren Teil beizutragen.
„Manchmal fluche und stöhne ich oder stampfe mit den Füßen auf, wenn ich Geld für eine zusätzliche Lampe auftreiben muss, die jemand unbedingt braucht“, sagt Bernard. „Aber dieses Jahr stand ich hinten in der Kirche und habe mir Onionlabs „Transfiguration“ angeschaut, und ich war kaum zehn Minuten dort, als etwas Außergewöhnliches passiert ist, ein magischer Moment – wunderbar. Da dreht sich Tice zu mir herum und sagt: ‚Und genau dafür haben wir die zusätzliche Lampe gebraucht.‘ Unsere Künstler sind unglaublich gut, was die Details angeht – und anders wollen wir es auch überhaupt nicht haben.“
Credits:
Videos by LUMA Projection Arts Festival. Event photos by Van Zandbergen Photography
The Truth Shall Set You Free
Created by Light Harvest Studio
Directed by Ryan Uzilevsky