Uli Staiger: Bildwelten aus Fotografie und CGI Fotograf und CG Artist Uli Staiger spricht über seine Arbeit und darüber, warum der Umgang mit einer klassischen Fotokamera für jeden 3D Artist ratsam ist.
Uli Staiger ist Fotograf, CG Artist, Buchautor und Trainer für digitales Bildcomposing und 3D-Design. 2014 wurde er von der Federation of European Photographers mit dem „Photographer of the year award“ ausgezeichnet. Wir sprachen mit ihm über seine Art, 3D-Grafik mit Fotografie zu kombinieren und darüber, was CG-Artists beim Fotografieren lernen können.
Kannst du bitte dich und deine Tätigkeitsschwerpunkte kurz vorstellen?
Ich komme aus der professionellen Fotografie, d.h. ich habe eine Ausbildung zum klassischen Fotografen gemacht und war damals noch analog unterwegs. Schließlich gab es in den 80ern noch keine Digitalfotografie und diese neue Technologie kam erst Anfang der 90er so langsam auf.
Irgendwann habe ich angefangen, mit Photoshop zu arbeiten und so entdeckt, welche unglaublichen Möglichkeiten ich damit habe, um meine Fantasien auf den Screen zu bringen. Ab einen gewissen Punkt kam ich mit Fotografie, Photoshop und Maltechniken alleine jedoch nicht mehr weiter. Darum habe ich dann angefangen, mit Cinema 4D 3D-Inhalte dazuzumodellieren und zu rendern. Heute erschaffe ich ganze Bildwelten mit CGI, Fotografie, Photoshop und Photoshop-Maltechniken.
Wann hast du gemerkt, dass du Fotografieren zu deinem Beruf machen möchtest?
Ich wollte ursprünglich Tierarzt werden, allerdings musste ich schnell feststellen, dass man dazu ein gutes Abitur braucht. Also habe ich mir überlegt, wie ich die Wartesemester überbrücken kann und habe eine Fotografenlehre begonnen. Ich dachte mir: “probier’s mal aus, Fotograf zu sein ist doch cool und kommt bei den Mädels gut an”. Dann habe ich ziemlich schnell gemerkt, dass das mit dem Fotografieren ein ziemlich großes Ding für mich werden kann und bin dabeigeblieben.
Um mich weiterzuentwickeln war ich für eineinhalb Jahre in den USA, habe dort bei einem Fotografen assistiert und bin durch die Welt gereist, wobei man natürlich viel Lebens- und Berufserfahrung sammelt. Nach der Meisterschule 1998 habe ich mich in Berlin selbständig gemacht.
Du bist dafür bekannt, Fotografien mit 3D-Grafik zu kombinieren. Wie bist du darauf gekommen, 3D-Grafik in deinen Werkzeugkasten aufzunehmen?
Ich habe viel Fantasie und wollte Dinge wie Fahrzeuge, Flugzeuge, Raketen und Raumschiffe abbilden und sie in eine profane Umwelt montieren, um aus dem so entstehenden Spannungsverhältnis ein spannendes Bild zu machen. Natürlich kann man diese Motive in der Realität oft einfach nicht fotografieren. Wenn man sie allerdings in 3D modelliert, hat man unglaubliche Möglichkeiten, die verrücktesten Dinge zu zeigen. Zum Beispiel eine dreißig Meter hohe Hecke in Form des Eiffelturms in einem Garten.
Seit 1987 beschäftigst du dich professionell mit Fotografie und hast Paradigmenwechsel wie die Entwicklung von Photoshop und das Aufkommen von 3D-Software miterlebt. Würdest du Digital Artists raten, sich weiterhin mit Fotografie zu beschäftigen?
Ich würde jedem, der sich mit (visueller) digitaler Kunst beschäftigt, raten, sein Verhältnis zu einer Fotokamera auszuloten, zu fotografieren und zu erleben, wie man mit einer Kamera eine Bildwelt schaffen kann. Ich glaube, dass erst durch das Gewichten der unterschiedlichen Techniken (Fotografie, Bildbearbeitung, ggf. auch CGI und Maltechniken) der eigene Stil eines Artists entsteht.
In der Fotografie kann man bestimmte Parameter wie die Perspektive oder das Licht nach dem Betätigen des Auslösers nicht mehr ändern. Außerdem muss man schon bei der Auswahl des richtigen Ortes und des richtigen Zeitpunkts für ein Foto „planvoll auf das fertige Bild hinarbeiten“. Diese Fähigkeit zum „planvollen Hinarbeiten“ auf das fertige Bild ist sicher auch für CG-Artists hilfreich.
Welche Skills aus der Fotografie können einem Digital Artist nützlich sein?
Da gibt es jede Menge! Als ich damals für ein ¾ Jahr bei einem wahnsinnig guten Fotografen in New Jersey gearbeitet habe, habe ich von ihm zum Beispiel sehr viel über Lichtsetzung gelernt. Wenn man als CG Artist weiß, wie die verschiedenen Lichtquellen funktionieren und sich von Greyscalegorilla ein Set für Studiobeleuchtung gekauft hat, ist es zwar schön, wenn man es technisch beherrscht, aber man muss es auch gestalterisch einsetzen können. Ich denke, die gestalterische Arbeit mit Licht lernt man am schnellsten in der Fotografie, weil man dort lernt, wie „echtes“ Licht funktioniert.
Verrückte Motive sind charakteristisch für Deine Arbeiten. Woher nimmst du deine Inspiration?
Wahrscheinlich sind es zwei Hauptwurzeln, aus denen ich meine Inspiration schöpfe: Erstens haben mich schon als kleinen Knirps Science-Fiction Serien und Filme wahnsinnig interessiert und inspiriert. Wenn ich meine Kinderzeichnungen ansehe, haben die schon viel mit meinen heutigen Arbeiten gemeinsam, was wirklich verrückt ist. Zweitens inspiriert mich unsere Realität, die schon spektakulär genug ist. Oft ist es hilfreich, sich Dinge aus der Realität kurz „wegzudenken“. Wenn man beispielsweise an einem schönen Tag den blauen Himmel betrachtet und eine weiße Wolke sieht, kann man sich einfach vorstellen, noch nie zuvor eine Wolke gesehen zu haben. Erst wenn man die Realität mit diesem Blick betrachtet, erkennt man, wie faszinierend sie ist. Die Ideen zu meinen Bildern entstehen häufig durch das Zusammenspiel dieser Betrachtungsweise und meiner „Faszination für große Verkehrsmittel".
Worauf musst du bei der Kombination von 3D Renderings und Fotografien achten, damit das Ergebnis realistisch aussieht und zusammenpasst?
Zunächst müssen Perspektive und Licht zusammenpassen, sonst werden die beiden Bilder nie eine Einheit miteinander eingehen. Doch das sind nur die Aspekte, die wohl jedem sofort einleuchten. Außerdem muss der Detailgrad zusammenpassen. Eine Fotografie lebt normalerweise von vielen kleinen Details. Diese alle zu modellieren, würde den CG Artist eine Woche beschäftigen. Wenn man ein modelliertes 3D-Objekt mit vergleichsweise wenigen Details in ein Foto mit vielen Details einbaut, wirkt es dort künstlich und fremd. Das 3D-Modell muss also einen vergleichbaren Detailgrad haben und es darf nicht aussehen wie „frisch gerendert“. Etwas „used“ aussehen zu lassen, ist vermutlich der Arbeitsschritt, auf den ich am meisten Wert lege und der die meiste Zeit benötigt.
Da mein Ziel immer ein fotorealistischer Look ist, erzeuge ich diesen Used-Look der 3D-Modelle direkt in Cinema 4D beispielsweise über Vertex Maps und mit Bodypaint. Das Ergebnis wird so deutlich realistischer, als wenn man versuchen würde, den Used-Look der Modelle hinterher in Photoshop zu erzielen. In Photoshop male ich höchstens einzelne Kleinigkeiten wie Glanzlichter nach, 95% des Looks müssen jedoch aus Cinema 4D kommen.
Kannst du uns etwas über die Entstehung deines Corona-Projekts erzählen?
Ich hatte schon lange vor Corona die Idee, einen Haifisch durch einen Küchentisch brettern zu lassen. Den Hai Wellen hinter sich herziehen zu lassen, als sei der Tisch eine Wasseroberfläche, fand ich aber zu albern. Also habe mich dazu entschieden, den Tisch mit dem Voronoi Bruch-Objekt zersplittern zu lassen. Später kam mir noch die Idee, den Hai außerdem eine Tischdecke vor sich herschieben zu lassen. Obwohl das Bild etwas Unrealistisches zeigt, erzeugt es durch die vom Hai verschobene Tischdecke immerhin genug Realismus, um den Betrachter im ersten Moment denken zu lassen, der Hai sei tatsächlich dort gewesen.
Eigentlich wollte ich einen unrasierten Typen im Unterhemd als Model für das Foto verwenden. Wegen Corona haben mir allerdings alle Models abgesagt, weswegen ich selbst als Model herhalten musste. Das hat mich dann dazu inspiriert, die „Cerveza“-Flaschen im Bild zu platzieren, die an Corona-Bier erinnern.
Was rätst du Einsteigern in der Digital Arts Branche zur Entwicklung ihres eigenen Stils?
Es gibt zwei Dinge, die ich jedem ans Herz legen würde. Erstens: Du musst modellieren, wie ein Wahnsinniger. Fang morgens damit an, höre morgens wieder auf und schlafe dazwischen möglichst nicht (lacht). Modellieren muss für eine Zeit lang dein Leben sein. Es gibt keinen Weg, um es nur durch Tutorials zu lernen, sondern man muss es einfach machen. Zweitens: Ich würde empfehlen, auch Dinge zu kopieren, das habe ich selbst auch gemacht. Als ich angefangen habe zu fotografieren, habe ich die großen Meister der Fotografie bewusst kopiert und die Kopien als solche gekennzeichnet, um meine Skills zu verbessern. Versuche, deinen Vorbildern nachzueifern und dich dann irgendwann von ihnen zu trennen und sie zu überholen. Dein eigener Stil wird sich entwickeln, wenn Du viele Arbeiten machst. Außerdem kann ich empfehlen, die eigenen Arbeiten zu Wettbewerben zu schicken, sie in Communities zu teilen und so Feedback zu bekommen.