Der Illustrierte Mann Wie zwei Artists fiktionale 3D-Titel für ihre Lieblings-Geschichtensammlung von Ray Bradbury realisierten.
Motion Designer Sam Gilmore und Malthe Hemmer verstanden sich auf Anhieb, als sie sich auf der OFFF 2019 in Barcelona zum ersten Mal trafen. Obwohl sie in verschiedenen Ländern leben – Gilmore kommt aus London und Hemmer lebt in Aarhus, Dänemark – beschlossen sie gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten.
Es war Gilmore, der die Idee hatte an einer fiktionalen Titelsequenz für Der Illustrierte Mann, einer Sammlung von Kurzgeschichten des Science-Fiction-Autors Ray Bradbury, zu arbeiten. Das Duo etwa vier Monate in seiner Freizeit an diesem Projekt, bei dem hauptsächlich Cinema 4D, Substance Designer, Redshift und After Effects zum Einsatz kamen. Das Resultat ist die 3D-animierte Inszenierung einer komplexen Geschichtensammlung, die den tätowierten Körper eines Mannes als Projektionsfläche nutzt, um zu zeigen, wie Technologie unsere Zukunft beeinflussen könnte.
Sam, erzähl uns etwas über Dich
Gilmore: Ich bin freischaffender Motion Designer. Ich habe in einer Werbeagentur im Web Development angefangen und mich in die Filmabteilung hochgearbeitet. Irgendwann bin ich umgezogen und habe angefangen als Freelancer zu arbeiten, in ganz unterschiedlichen Bereichen. Mich verbindet eine langjährige Beziehung mit einem Studio namens Accept & Proceed in London, aber ich verbringe die meiste Zeit damit zwischen kleinen Produktionshäusern und gigantischen Agenturen zu pendeln.
Und was ist mit Dir, Malthe?
Hemmer: Ich habe Cinema 4D am Gymnasium gelernt und vor 6 Jahren habe ich ein Praktikum gemacht mit dem meine berufliche Laufbahn begonnen hat. Heute arbeite ich bei Cadesign, hauptsächlich an Industrie-, Produkt- und Markenfilmen.
Um was geht es bei der Titelsequenz, die ihr zusammen gemacht habt?
Gilmore: Der Illustrierte Mann ist eine Reihe von Science-Fiction-Kurzgeschichten, die sich alle auf der tätowierten Haut eines Rummelplatzarbeiters entspinnen. Eine Mischung aus Prophezeiungen, fantastisch erzählt, oft mit einem grauenvollen Ende. Gruselige Geschichten, wie „Der lange Regen“ oder „Das Kinderzimmer“ sind mir tief in Erinnerung geblieben, seit ich sie während des Studiums zum ersten Mal gelesen habe, aber „Das Raumschiff“ ist mein Favorit. Es ist die Geschichte eines Schrotthändlers, der davon träumt seinen Kindern ihren sehnlichen Wunsch nach einem Weltraumflug zu erfüllen. Sie ist wundervoll geschrieben und enthält eine erbauliche Botschaft über die ausgleichende Kraft der Technologie. (Making-Of Video anschauen)
Welche Geschichten waren schwierig in Bilder zu fassen und warum?
Gilmore: Bei den meisten Geschichten passiert unheimlich viel und es war ziemlich schwierig einen Weg zu finden sie so weit zu vereinfachen, dass sie als Tattoo funktionieren. Die meisten Szenen habe ich erst mal einfach gebaut und dann soweit abgespeckt, dass sie gut als Tattoo dargestellt werden können. Die Umsetzung der Geschichte „Die letzte Nacht der Welt“ begann mit der Silhouette eines Paares, dass eine Atomexplosion von ihrem Küchenfenster aus betrachtet und endete als Umriss eines Manns der von einem elektrischen Schlag beleuchtet wird.
Hemmer: Ich finde, dass die meisten Stories ziemlich herausfordernd waren, aber die die für mich besonders heraussticht ist „Der lange Regen“, wo eine Gruppe von Astronauten auf der Venus strandet. Die Vorstellung, dass die Astronauten durch den unaufhörlichen Regen in den Wahnsinn getrieben wurden, hat eine Menge Bilder im Kopf ausgelöst und es hat Spaß gemacht sie in 3D umzusetzen. Aber es war wegen des vielen Regens, der fotorealistischen Requisiten, des detaillierten Terrains und der Vegetation schon ziemlich komplex. „Das Kinderzimmer“ war eine andere, die schwer zu visualisieren war: Ich denke, Sam stimmt mir zu, dass es keine leichte Aufgabe war, die Löwen überzeugend zu animieren.
Welche anderen technischen Hürden musstet ihr überwinden?
Gilmore: Ich bin ziemlich schlecht bei der Optimierung meiner Szenen. Es war ein guter Übungsplatz, um mit Redshift herum zu experimentieren und sicherzustellen, dass die Bilder in unter 5 Minuten pro Frame rendern und trotzdem nicht übermäßig ruckeln.
Hemmer: Das Gras für die Unfall-Szene in „Die Landstraße“ war hart zu optimieren, weil es so viel Geometrie hatte und deshalb meinen Computer immer wieder gecrasht hat. Außerdem wollte ich X-Particles für die Szene mit der Bücherverbrennung in „Die Verbannten“ verwenden, aber das wäre viel zu heftig gewesen. Wir haben uns dann entschieden, einfach nur Planes mit Archivmaterial zu verwenden, und diese simple Lösung war letztlich der beste Weg.
Wie hat die länderübergreifende Zusammenarbeit hingehauen?
Gilmore: Das hat wirklich Spaß gemacht. Wir waren ziemlich rücksichtslos was die Zeit angeht, die wir jeden Abend mit dem Projekt verbracht haben. Jeder hatte natürlich seine eigenen Szenen und die für die Zirkusumgebung haben wir gleichmäßig unter uns aufgeteilt. Alles wurde auf Google Drive synchronisiert, so dass man sich einfach einloggen und arbeiten konnte und alles dort wieder gespeichert wurde.
Wie sah euer Workflow aus?
Gilmore: Wir haben den größten Teil in Cinema 4D gemacht und After Effects benutzt, um einen Schnitt aufzubauen und die untexturierten Aufnahmen mit der Musik zu synchronisieren. Es war uns klar, dass wir nicht alle Geschichten würden umsetzen können, also hat jeder von uns vier gemacht. Wir mussten das Material, dann die Körperteile des Charakters mappen, dazu haben wir eine Master-Kamera benutzt, die sich über verschiedene Nahaufnahmen des Körpers bewegte, auf die wir die fertigen Szenen projiziert haben. Die Explosionen, Trümmer und magischen Effekte sind alle in X-Particles entstanden.
Die alt aussehenden Details bei den Nahaufnahmen von Objekten wie dem Jahrmarktwagen haben wir mit Substance Designer herausgearbeitet. Wir haben zunächst einen Illustrator gebeten, die Bilder an der Seite des Wagens für uns zu gestalten. Diese Illustrationen haben wir dann in Cinema 4D positioniert, um unsere Texturen zu erstellen. Anschließend wurden die Texturen in Substance Designer bearbeitet, um diesen unregelmäßigen „Zu viele Farbschichten“- Look zu erzeugen.
Was hat euch bei dieser Zusammenarbeit am meisten Spaß gemacht?
Hemmer: Ich habe die Herausforderung genossen, mit jemandem zusammenzuarbeiten, mit dem ich vorher noch nie gearbeitet hatte. Es war eine wirklich angenehme Lernerfahrung und der Druck, den wir uns gegenseitig auferlegt haben, uns abends hinzusetzen und zu arbeiten, hat uns produktiver gemacht. Ich fand es schön, zu beobachten wie Sam arbeitet und was er macht. Wir sind viele Dinge unterschiedlich angegangen, sowohl technisch als auch in Bezug auf die Geschichte.
Gilmore: Ich habe die Routine der abendlichen Arbeit sehr genossen. Wir haben gegenseitig Fragen gestellt und Tutorial-Links und Feedback ausgetauscht. Ich glaube, ich habe auch eine Menge über mich selbst gelernt, über meine blinden Flecken als Artist und darüber, wie man die Liebe zum Detail besser gewichten kann.
Wie war das Feedback bisher?
Gilmore: Wir haben ein „Daumen hoch“ von Ray Bradburys Enkelin bekommen, die anscheinend einen Dokumentarfilm in Spielfilmlänge über sein Leben dreht. Das war wirklich großartig.